Reaktionen auf Kickers-Insolvenz: "Es ist erschreckend!"

Zweieinhalb Jahre hat der Pleitegeier über dem traditionsreichen BSV Kickers Emden gekreist. Jetzt hat er am Dollart zur Landung angesetzt und sich seine Beute gekrallt.Angesichts der erdrückenden und erschreckend hohen Schuldenlast von fast 3 Millionen Euro und der nicht mehr gegebenen Liquidität hat Club-Präsident Günter Schmaler am frühen Freitagmorgen das getan, womit ganz Fußball-Ostfriesland schon seit Tagen und Oberliga-Insider schon seit Wochen und Monaten spekuliert hatten. Der Rechtsanwalt und Notar stellte beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.Diesen Schritt hatten der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Klaus Strahmann tags zuvor 113 anschließend entsetzten und wütenden Clubmitgliedern gleich zu Beginn der Mitgliederversammlung angekündigt...Viele Fragen sind in diesem Zusammenhang aber noch unbeantwortet und bedürfen einer - zügigen - Beantwortung. Warum haben die Verantwortlichen nicht bedeutend früher die Reißleine gezogen? Warum wurden die über gültige Arbeitspapiere verfügenden Spieler immer wieder hingehalten? Warum wurde den Kickers nach der erstinstanzlichen Lizenzverweigerung im Juni 2011 von höchster Stelle, dem NFV-Präsidium, wenige Tage später die Lizenz doch erteilt?In der Saison 2008/2009 waren die Emder noch auf der deutschen Fußball-Landkarte präsent gewesen. Und wie. Die Ostfriesen hatten in der ersten Spielzeit der neu gegründeten Dritten Liga sogar den Aufstieg in die 2. Liga im Visier. Die Marke Kickers Emden brachte ganz Ostfriesland einen riesigen Imagegewinn. Unter der Regie des seinerzeitigen Club-Bosses Engelbert Schmidt gingen die Kickers finanziell volles Risiko. Mit den garantierten Einnahmen aus dem randvollen Fernsehgelder-Pott hätte der Verein sich - losgelöst vom sportlichen Abschneiden - als Zweitligist vermutlich auf einen Schlag gesund gestoßen.Das Ende vom Lied ist bekannt. Der Anflug Richtung Aufstieg wurde zur Bruchlandung. Das Ansinnen weiter in der Dritten Liga anzutreten, verwarfen die Verantwortlichen schnell. Der beim DFB gestellte Lizenzantrag wurde zurück gezogen. Dazu hatten die Chef-Lizensierer aus Frankfurt geraten. Emden trat aber nicht eine Klasse tiefer in der Regionalliga an. Nein, es ging - wohl schon wirtschaftlichen Problemen geschuldet - gleich runter in die fünfte Liga. Schon diese Entscheidung hätte intensive Nachforschungen nach sich ziehen müssen.Da das nicht der Fall war, durfte am Dollart weiter „gewurschtelt werden. Und wie. Verspätete Gehaltszahlungen an das kickende Personal waren die Regel. Richtig eng wurde es für den Verein aber erst vor der laufenden Saison. Der Lizensierungs-Ausschuss des NFV verweigerte Emden das Startrecht für die Oberliga. Für Außenstehende ein Paukenschlag. Obwohl eine Finanzierungslücke von fast 300.000 Euro errechnet wurde, zeigte sich Präsident Schmaler vom erstinstanzlichen Votum überrascht.Frei nach dem Motto „Lieber Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken wurde Beschwerde eingelegt. Und siehe da. Wenige Tage später war die Welt in Emden wieder in Ordnung. Das NFV-Präsidium haute das Votum seiner eigens beauftragten Spezialisten um und erteilte den Kickers das Spielrecht. Ein Unding, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Auch wenn der Verein möglicherweise Zahlungsaufschübe vorweisen konnte, bleibt die Präsidiumsentscheidung höchst umstritten und fragwürdig. Denn im Lizensierungsverfahren ist nicht nur für das betreffende Spieljahr die voraussichtliche Leistungsfähigkeit anhand einer Einnahme- und Ausgabeaufstellung vorzulegen. Nach den NFV-Statuten sind auch die Verbindlichkeiten genauestens offen zu legen. Ein Blick darauf hätte selbst jeden Laien stutzig gemacht.Erstes sportliches Opfer der Präsidiumsentscheids war Arminia Hannover. Die Bischofsholer wären bei einer Lizenzverweigerung in der Oberliga verblieben. Die Landeshauptstädter hatten konservativ gewirtschaftet und die Lizenz bereits in der Tasche. Da das NFV-Präsidium seine Begründung pro Emden bislang nicht heraus gerückt hat, prozessen die Arminen längst vor einem Zivilgericht. Zurecht. Schließlich sind ihnen fraglos nicht unerhebliche Einnahmeverluste entstanden. Um Licht ins Dunkel zu bringen, heisst es daher: Daumendrücken für Arminia, dass die zuständigen Damen und Herren Richter den nötigen Sportsgeist beweisen und den NFV verdonnern, die wohl brisante Begründung für die Lizenzerteilung publik machen zu müssen.Trotz Lizenz in der Tasche hätte derweil auch Kickers-Präsident Schmaler und den Aufsichtsräten schon vor Saisonbeginn klar sein müssen, dass das Vereinsschiff weiter mit Volldampf Richtung Verderben unterwegs ist und die gegenüber den Spielern eingegangenen Verpflichtungen nicht einzuhalten sind. Das grenzt an Betrug und Verarschung. Eine Frechheit war's allemal.Eine Frechheit und an Dreistigkeit nicht zu überbieten war auch Schmalers Begründung für den finalen Schritt Richtung Insolvenz. Der Notar machte kurzerhand die Medien und Spieler verantwortlich. Schließlich hätten die Halbprofis Informationen gestreut und Berichte über ausstehende Gehaltszahlungen Sponsoren ihre Zusagen zurück ziehen lassen.Schmaler gab indes zu, bereits vor zwei Jahren das Stellen eines Insolvenzantrags erwogen zu haben. Um den Juniorenspielbetrieb auf höherer Ebene zu retten, sei dies nicht erfolgt. Eine kaum überzeugende und schon gar nicht entlastende Begründung. Offenbar haben Schmaler und Co. bis zuletzt - vergeblich - auf den finanziellen Heilsbringer gehofft, um das Unternehmen noch retten zu können. Ein unglaublicher Trugschluss. Selbst ein Fußballverrückter investiert nur ungern in einen Verein, um von ihm nicht zu verantwortende Schulden wegzusanieren. Nein, er will gestalten und zwar in Mannschaft und Infrastruktur.Jetzt muss die öffentliche Hand bluten. Schließlich dürften die Spieler für drei Monate Kohle in Form von Insolvenzgeld vom Amt kassieren.Das Schicksal des Clubs liegt derweil seit Freitag in Händen des vorläufigen Insolvenzverwalters Axel Gerbers aus Bremen. Der Spezialist hat nun die spannende Aufgabe das Gebaren der Verantwortlichen zu durchleuchten.Angeblich - dies ist eine Aussage Schmalers - reichen Emdens Mittel aus, um eine Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse zu verhindern. Eine solche Entscheidung bis Saisonende würde unweigerlich zur vollständigen Liquidierung des Vereins führen.Sollte Schmaler Recht haben, könnte ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Geschähe dies bis zum Saisonende, was gegenwärtig am wahrscheinlichsten ist, wären die Emder automatischer Absteiger, könnten dann aber in der nächsten Saison eine Klasse tiefer antreten. Das allerdings nur, wenn die Saison ohne weniger als dreimaliges Nichtantreten zuende gespielt würde. Die Wettbewerbsverzerrung wäre dennoch perfekt. Schließlich würden alle Kickers Ergebnisse nicht gewertet. Ein Fakt, dass sogar die Qualifikation zur künftigen fünfgleisigen Regionalliga entscheidend beeinflussen könnte.Abzuwarten bleibt in den nächsten Tagen welches Ausmaß der zu erwartende Spielerexodus annimmt. Mehrere Emder Spieler wurden bereits von anderen Clubs kontaktiert. Trainer Uwe Groothuis, der süffisanterweise auf der Mitgliederversammlung für seine 25-jährigen Clubmitgliedschaft ausgezeichnet worden war bevor es knallte, hat fraglos kaum ein Argument, warum ein Spieler bleiben sollte. Den Kader mit Spielern aus der Reserve aufzufüllen wäre eine Maßnahme. Nicht allerdings in Emden. Eine Zweite gibt es nämlich nicht.Ob der von Schmaler angeführte Freundeskreis ausreichend Kohle auf den Tisch legt, um bis Saisonende elf Mann auf den Platz zu bringen, bleibt abzuwarten, ist aber ein Hoffnungsschimmer. Der Glaube in die Aussagen der Verantwortlichen ist schließlich erschüttert.Um den Verein zu retten sind die Emder zudem auf die Gnade der größten ihrer zahlreichen Gläubiger - darunter die Stadt Emden - angewiesen. Die müssten einem Insolvenzplan, der ihnen kaum mehr Geld einbringen dürfte als es bei einer Liquidierung der Fall wäre, abnicken. Auf jeden Fall sagen sie vielen Säcken voll mit Kohle auf Nimmerwiedersehen.Das Schicksal des Barenburger Sportvereins Kickers Emden hängt damit weiter am seidenen Faden . . .Quelle: nordwestsport.comGeschrieben von: Joseph Rundmann&nbsp

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