SVR-Spieler Lasse Müffelmann auf toller Mission

Der Defensivallrounder berichtet über seinen besonderen Aufenthalt in Afrika

Lasse Müffelmann wechselte 2020 zum SVR in den heristo-Sportpark. Der sympathische Defensivallrounder, welcher eine besondere Leidenschaft für die Fotografie innehat, besuchte in der jüngsten Vergangenheit den afrikanischen Kontinent. Warum genau, was er da getan hat und was der SVR damit zu tun hat, das schreibt er selbst:

Um logisch verständlich erklären zu können, wie nun Trikots vom SV Bad Rothenfelde bei einem Fussballspiel in Namibia auftauchen, muss ich etwas weiter ausholen.

Afrika - der Kontinent, der nur allzu gerne mit einem Land verwechselt wird. Jedoch ist Afrika größer als die USA, China, Indien, Japan und ganz Europa zusammen. Meine ältere Schwester machte nach dem Abitur in Namibia ein einjähriges Praktikum auf einer Lodge namens „Okambara Elephant Lodge“ nahe Windhoek. 2016 war ich dann auf einer klassischen „Safari-Rundreise“ zum ersten mal selbst dort. Aufgrund dessen kannte ich die Inhaber von der Lodge bereits. Ein deutscher, der direkt nach seinem Abitur dort ein Stück Land kaufte und 1990 eine Gästefarm eröffnete. Diese Gästefarmen oder auch Lodges genannt, finanzieren sich fast ausschließlich durch den Tourismus. Nun ist auch der Gedanke nicht fern, dass samt der Möglichkeit zu Reisen seit 2020 auch die Einnahmen der Lodge pulverisiert wurden. Wie das nun immer so ist, kommt das Unglück selten allein. Anfang Herbst letzten Jahres, zerstörte ein Feuer einige Teile des Lodgegeländes. Somit auch die Nahrungsgrundlage für Elefanten, Zebras, Nashörner, Giraffen, Antilopen und allen anderen Pflanzenfressern. Damit die Tiere bis zur Regenzeit im Januar 2021 überleben, wurde begonnen mit zusätzlichen Stroh und Luzerne nachzufüttern. Und ist man erst einmal in einer Pechsträhne, reißt diese auch erst einmal nicht ab. Im September diesen Jahres, sind durch einen riesigen Buschbrand fast alle 15.000 Hektar den Flammen zum Opfer gefallen. Tiere und die Lodge an sich konnten jedoch unter schwerstem Aufwand gerettet werden. Jedoch ist mit diesem Brand, der von einer Nachbarfarm gewandert kam, auch die komplette Weide abgebrannt. Der Inhaber Christian Schmitt musste aufgrund des eingeschränkten Tourismus der letzten beiden Jahre eine Spendenaktion starten, um die Tiere vor dem verhungern zu retten, da eigene Rücklagen nicht ausreichten. Seitdem wurden täglich 50 Ballen an Gras und Luzerne für die Tiere quer über die 15.000 Hektar verteilt, denn alleine ein Nashorn frisst über 100kg Pflanzenmaterial am Tag.

Ich selbst lebe aufgrund des Studiums seit 2018 in Osnabrück und arbeite als Fotograf für Musiker und vor allem DJ’s. Meine Schwester ist seit ihrem Aufenthalt auf „Okambara“ regelmäßig dort und steht im täglichen Austausch mit Christian Schmitt und seiner Tochter. Über sie erreichte mich die Bitte, ob ich nicht die Zustände auf der Lodge und vor allem die Futterlieferung fotografisch dokumentieren könnte, um den Spendern einen Einblick zu geben, was mit ihrem Geld letztendlich passiert ist. Ich zögerte nicht lange und buchte ein Flugticket für die folgende Woche für einen vierwöchigen Aufenthalt vor Ort. Bei meiner kleinen Reise in 2016 brachte ich einen Fussball und ein paar Kleidungsstücke mit. Als ich den Fussball einem Kind eines Lodgemitarbeiters zuschob, fing dieses in einer Tonlage an zu schreien, die mir ernsthafte Angst einjagte. Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, dass es sich um Freudenschreie handelte.

Somit war nun klar: „ich stopfe meine Koffer dieses mal bis auf den letzten Millimetern voll“. Auf meinem Ticket stand nun also noch ein zusätzliches Gepäckstück von 28kg. Ingesamt über 50kg Gepäck für Bälle, Schuhe, Trikots, Hosen, Luftpumpen und alles andere, dass ich in die Hände bekam. Jedoch hat wohl niemand diese Menge an Sportkleidung bei sich im Schrank liegen, die er problemlos abgeben kann. Jedoch hatte sich bei mir über die vielen Jahre schon einiges angesammelt. Das müsste meiner Meinung nach also bei anderen langjährigen Fussballern ähnlich aussehen. Seit letztem Jahr spiele ich beim SV Bad Rothenfelde Fussball. In dieser Zeit wurde sehr deutlich, dass im Verein ein großer Wert auf Zusammenhalt gelegt wird. So auch das Motto „gemeinsam stark“. Also folgte eine Nachricht in die Whatsappgruppe der Mannschaft, bei der ich jeden bat doch einmal im Schrank nach Kleidung und Materialien zu suchen, die nicht mehr gebraucht würden. Diese Nachricht verbreitete sich schnell über die erste Herren hinaus und es entwickelte sich eine gewisse Eigendynamik. Wenige Tage später standen dann Taschen, Tüten und Kartons vor meiner Wohnungstür und es war schnell klar: Das passt auch bei aller Liebe nicht alles in meine Koffer. Ich sortierte einmal grob und begann jeden möglichen Platz meiner Koffer mit Bayern, Dortmund, Osnabrück und Deutschlandtrikots in allen Größen zu füllen. Für mich wirklich erstaunlich, wie schnell Spieler und Eltern quer durch den Verein diese Materialien für mich bereitstellen konnten. Wenige Tage später stand ich dann etwas übermüdet in Windhoek am Flughafen bei 33 Grad und Sonnenschein samt meinen 50kg an Gepäck. Auf der Fahrt auf die Lodge Okambara wurde mir erst das Ausmaß der Katastrophe bewusst. Kaum vorstellbar Kilometer über Kilometer nur Ruß und Asche zu sehen.

Nach der Ankunft gelang es relativ einfach, Christian Schmitt zu einem Freundschaftsspiel der Lodge Okambara gegen eine benachbarte Lodge namens Astra zu überzeugen. Die Idee „FC Okambara gegen Union Astra“ war geboren. Samt Praktikanten, Gästen, Mitarbeitern und deren Kinder. Als Spielfeld wurde die Sandpiste, die zur Lodge führt gewählt. Inklusive Büschen, Steinen und anderen Besuchern (wie sich später herausstellen sollte). Die benachbarte Lodge kam mit drei Pickups und den zusammengeschweißten Gestell aus fünf Stangen angefahren, die als Tor dienen sollten. „Nachbar“ bedeutet dort übrigens gerne auch mal eine 40-minütige Anfahrt. Bereits während des äußerst provisorischen Aufwärmens hatte eine breite Zuschauerschaft den Weg zum Spielfeld gefunden. Es gelang den FC Okambara vollständig in einem einheitlichen Trikotssatz einzukleiden. Bei der Wahl des Schuhwerks bietet sich jedoch eine erstaunliche Varianz. Der eine in Sandalen, der andere in Stiefeln und einige sogar Barfuß, was bei den fingerlangen Dornen dort nicht ganz ungefährlich ist. Dann begann der Ball zu Rollen und bereits nach der ersten Aktion war klar: Hier wird sich heute nichts geschenkt. Der Spielfluss wurde mehrmals unterbrochen, weil Bälle über Zäune flogen oder weil die Ziegenherde auch genannt „Bockies“ einmal das Spielfeld überquerte. So ist das eben. Aus dem anfänglichen neun gegen neun wurde ein dreizehn gegen zehn ohne das jemand etwas davon mitbekam. Dennoch konnten wir einen knappen 3:2 Sieg über die Zeit retten.

Nach dem Spielende wurden all die Trikots, Schuhe und Hosen verteilt. Soviel glückliche Gesichter von groß und klein. Hier und da wurde auch ein spontaner Tanz hingelegt. Unfassbar schön zu sehen, wie sich kleine Kinder ein Trikot von Ribéry oder auch von Marc Heider überstreifen und den Ball über den roten Sand kicken.

Der SV Bad Rothenfelde dürfte dem Weihnachtsmann in diesem Jahr ernsthafte Konkurrenz machen.

Doch allzuschön, wie dieser Nachmittag war, ist nicht zu verkennen, wie ernst die Lage um die Lodge und damit auch allen Tieren und Mitarbeitern steht. Durch die äußerst geringe Inzidenz war ein kleines Aufatmen zu erhoffen, doch Omikron hat allen Reisewilligen in Richtung des südlichen Afrikas einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Somit heißt es dann wohl oder übel irgendwie weiter durchhalten.

#GemeinsamStark

Lasse Müffelmann

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